Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
nach unserer Vollversammlung in Ratingen am 13.11.2024, hatten wir versprochen das Thema der ärztlichen Vergütung und insbesondere der GOÄ noch einmal zusammen zu fassen und eine Guideline für alle Kolleginnen und Kollegen zu erstellen die eine Handlungsgrundlage für uns darstellen könnte.
Es bestand unter den anwesenden Kolleginnen und Kollegen der Vollversammlung eine umfassende Unzufriedenheit sowohl mit der Art- und Weise der GOÄneu Entstehung als auch mit dem Verhandlungsresultat und der damit einhergehenden Kommunikation von Seiten der Bundesärztekammer. Ein ähnliches Stimmungsbild hat sich zu der Anpassung des EBM gezeigt.
Wir haben mit unserem offenen Schreiben, welches in dem Sondernewsletter auch an Sie geschickt wurde, unsere Ablehnung kundgetan.
Um unseren Forderungen in Zukunft weiter Nachdruck zu verleihen, wurden in der Diskussion während der Hauptversammlung folgende Punkte weitestgehend konsentiert:
- Wir lehnen weiterhin die GOÄneu ab. Hauptgrund ist vorerst, dass der breiten Ärzteschaft bis heute keine offizielle Version der aktuellen Fassung vorliegt und somit keine Grundlage für eine substanzielle Diskussion entstehen kann. Darüber hinaus sind eine relevante Anzahl an wohl bereits beschlossenen Punkten, für die niedergelassene Ärzteschaft in dieser Form nicht tragbar, wie zum Beispiel eine fehlende faktorgesteuerte Bewertung in der GOÄneu.
- Die Anpassung des EBM wird ebenfalls in der jetzigen Form abgelehnt. Die geplante minimale Steigerung des Punktwertes spiegelt die reale wirtschaftliche Anforderung und Wertschätzung unserer Tätigkeit nicht wider. Die ärztliche Leistung ist ungenügend bemessen und bewertet.
Da eine GOÄneu ja aufgrund des ausgeprägten Protestes in der Ärzteschaft, zumindest kurzfristig nicht beschlossen werden wird, schlagen wir folgenden Fahrplan vor.
Um der wirtschaftlich bedrohlichen Situation entgegenzutreten, ist eine kongruente Vorgehensweise der gesamten Ärzteschaft, mindestens aber den Orthopäden in NRW notwendig.
- Es wird daher dringend empfohlen, dass allen privatversicherten Patienten eine Patienteninformation überreicht wird, indem eine Empfehlung der BÄK zur regelmäßigen Steigerung der Gesprächs- und Behandlungsziffern überreicht und angekündigt wird. (Siehe Anlage) Hier sollten insbesondere die GOÄ-Ziffern zur Anamnese, Beratung und körperlichen Untersuchung / nicht apparativen Behandlung, regelhaft gesteigert werden. Wir werden hierzu nach Abschluss der Beratungen (siehe unten) eine detaillierte und differenzierte Handlungsanweisung herausgeben.
Bundesärztekammer-Honorarvereinbarung.pdf
- Es wird empfohlen, eine konsequente Umsetzung der offenen Sprechstunde (17,5% der GKV-Fälle mgl.) und des Hausarztvermittlungsfalles (keine Limitierung) durchzuführen, um eine extrabudgetäre Vergütung der EBM-Leistungen zu erzielen. Hier bietet es sich an, dass wir mit häufig zuweisenden Hausärzten eine Absprache des „kurzen Dienstweges“ vereinbaren. Es reicht nach Auffassung der KVNO aus, dass entweder ein kurzes Fax oder eine E-Mail geschickt wird oder dass den Praxen einfach bestimmte Zeitslots für HAV Fälle genannt werden. Es reicht also die einfachste Form der Absprache aus und es muss KEINEN direkten Kontakt zwischen Ärzten stattfinden.
Zum weiteren Vorgehen, wurde diskutiert, ob ein proaktives Vorgehen in Bezug auf die drohende Verschlechterung der GOÄneu von Seiten der Ärzteschaft besser sei als eine spätere Reaktion. Von Seiten des Vorstandes des Orthonet-NRW haben wir uns für eine proaktive Herangehensweise entschlossen.
Somit möchten wir den Prozess beginnen, die für uns roten Linien einmal zu definieren, in denen wir als Ärzteschaft bereit sind über eine zukünftige ärztliche Vergütung zu sprechen.
Zu Beginn ist ein fundamentaler Wechsel des „Mindset“ bei dem Einstieg in die Verhandlungen und ein zwingender fachübergreifender Zusammenhalt notwendig. Wir nennen zuallererst unsere Forderungen klar und deutlich. Die reflektorische Rechtfertigung gegenüber Kostenträgern und den politischen Akteuren darf hier keine Rolle spielen.
- Wir definieren unsere Bedürfnisse unabhängig von den Hürden bei der Umsetzung! Hierbei ist es eben nicht von Bedeutung, ob eine Forderung oder spezielle Maßnahme Umsetzbar ist oder nicht. Für die politische Umsetzung und Anpassung der Rahmenbedingungen sind verschiedene politische Akteure verantwortlich, nicht aber die Ärzteschaft.
- Als Resultat fordern wir gemeinsam einen Ausstieg aus der Pflicht zur Konsentierung (Junktim) mit den Kostenträgern im Bereich der Findung einer GOÄneu.
- Die Eigenverantwortung des Patienten und der Patientin werden wieder in den Mittelpunkt gestellt.
- Die GOÄ ist seit 1996 nicht mehr angepasst worden. Seitdem besteht eine inflationsbedingte Abwertung der Leistungen um ca. 50%. (Quelle: https://www.der-privatarzt.de/artikel/betrachtungen-zur-arztlichen-gebuhrenordnung-goa-pad-04-23) Grundsätzlich müsste die Ärzteschaft gemeinsam einen vollständigen Ausgleich der Inflation fordern. Dieses wäre übrigens auch mit der „alten“ GOÄ durch eine Anpassung des Punktwertes möglich. Aufgrund einer wahrscheinlich fehlenden Umsetzbarkeit erscheint es aber diskussionswürdig nicht den gesamten Inflationsausgleich zu fordern, sondern lediglich einen Teil (z.B. die Hälfte) und zusätzliche einen automatischen Inflationsausgleich für die Zukunft.
- Anders als bisher geplant ist eine Bewertung der ärztlichen Arbeit mit einem Zeitfaktor um ca. 120€ pro Stunde in der sprechenden Medizin nicht hinnehmbar. Wir halten, angelehnt an andere freie Berufe, eher 400€ für realistisch.
- Die GOÄneu muss zwingend die Möglichkeit einer faktorgesteuerten Anpassung der Leistungssumme beinhalten.
- Eine Budgetierung wird vollständig abgelehnt. Dies gilt auch für Regelungen die eine „Budgetierung durch die Hintertüre“ bedeuten könnten.
- Der EBM ist in seiner jetzigen Form nicht mehr in der Lage die Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten sicher zu stellen. Die Finanzierung einer Praxis ist wirtschaftlich nicht mehr möglich. Daher erscheint eine Forderung zu einer leistungsbezogenen Vergütung, angelegt an die GOÄ für zwingend notwendig. Es müsste zumindest zwingend gefordert werden in Gänze von dem pauschalisierten System und dem Sachleistungsprinzip weg zu kommen. Es wäre also zum Beispiel möglich, eine im Vergleich zu privatversicherten Patienten reduzierte Vergütung im 1,0-fachen Satz zu erwirken. So könnte zum Beispiel im Rahmen unserer Möglichkeiten als Freiberufler je nach Ort- und Umfang der Tätigkeit, mit jeweils individuellen Vereinbarungen, ein Vertrag mit jedem einzelnen Patienten über die genutzten Abrechnungssätze vereinbart werden. (So können alle niedergelassenen Fachärzte selbstständig auf lokale Faktoren wie Kaufkraft, Fix- und Nebenkosten und Personalmangel reagieren)
Hier sollte zwingend herausgestellt werden, dass Forderungen absichtlich vage gehalten sind, um lediglich ein Framework für weitere Verhandlungen zu definieren. Wir sollten allerdings am Ende des Prozesses bestimmte rote Linien definieren, die für uns nicht verhandelbar sind. Für mich wären das eine leistungsbezogenen Vergütung auf oben genanntem Niveau, eine Abschaffung der Budgetierung und das Sanktionieren seitens der KVen und eine faktorgesteuerte GOÄ (wie bisher).
Ich halte ein neues selbstbewusstes Auftreten der Ärzteschaft in Anbetracht der Ausgangslage für zwingend notwendig, angemessen und lange überfällig.
Kolleginnen und Kollegen, die aktiv an der Erarbeitung unserer Forderungen teilnehmen möchten und im Rahmen dieser Arbeit auch auf dem Laufenden gehalten werden möchten, teilen dies bitte durch eine E-Mail (info@orthonet-NRW.de) an die Geschäftsstelle mit. Wir werden dann eine interne Diskussion bis Mitte Januar 2024 führen eine Guideline erarbeiten.
Die Ergebnisse werden dem Vorstand der orthonet-NRW vorgelegt und nach Konsentierung an die entsprechenden Stellen und Amtsträger übermittelt.
Ich freue mich auf eine rege Teilnahme.
Mit kollegialen Grüßen
Fabian D. von Bergen